Quantcast
Channel: Kopfsteinpflaster » Türkenbelagerung
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3

Die geheimnisvolle Agnes

$
0
0

Wie oft mag es vorkommen, dass sich schwedische Könige im Wienerwald verirren und die Nacht dort in einem Biwak verbringen müssen?

Gibt’s nicht?!

Da wissen die Legenden etwas Anderes zu berichten: Am Fuß des Hermannskogel verirrte sich einst ein schwedischer König und geriet auf der Suche nach dem Weg in die Dunkelheit. Eine Fee, die an einer Quelle wohnte, nahm ihm für eine Nacht bei sich auf. Am nächsten Morgen aber verabschiedete sich der König und ging unter Zurücklassung seiner Rüstung seiner Wege (die jetzt offenbar leichter zu finden waren).

Das Agnesbründl heute

Das Agnesbründl heute

Nach einiger Zeit brachte die Fee eine Tochter zur Welt und nannte sie Agnes. Die Legende führt die beiden Ereignisse zwar nacheinander an, deutet aber mit keinem Wort auf einen Zusammenhang zwischen ihnen hin. Ob wir davon ausgehen können, dass der König Agnes Vater sei, bleibt im Ungewissen.

Konkret nennt aber die Legende einen Kohlenbrenner-Karl, der – Jahre später offensichtlich – als Agnes’ Verlobter in Erscheinung tritt. In der Rüstung des (möglichen) Vaters seiner Verlobten verlässt er diese jedoch und zieht nach Wien, um die Türken, die gerade die Stadt belagern, zu vertreiben. Dass er in diesem Beginnen nicht der Einzige war, wissen wir ja. Dass er von seinem Türkenabenteuer nicht mehr zurückgekommen sein, erzählt die Legende, die schließlich endet mit dem Hinweis, dass die arme Agnes noch lange Zeit an der Quelle auf die Rückkehr ihres Verlobten wartete. Und heute noch könne man nächtens den Schlachtlärm im Umkreis der Quelle hören.

Diese Legende gibt es in mehreren Versionen, die – wahrscheinlich unbedeutende – Details variieren, aber immer darauf beharren, dass die arme Agnes, das Feenkind, am Ende alleine und verlassen an der Quelle sitzenbleibe.

Einen historischen Nachweis solcher Legenden zu suchen, ist müßig. Doch immerhin deutet der schwedische König auf den Dreißigjährigen Krieg hin, in welchen schwedische Truppen in den Jahren 1645 und 1646 unter General Lennart Torstenson tatsächlich vor Wien gestanden sind. Allerdings haben sie nie die Donau überschritten und sind bereits in der Wolfsau zurückgeworfen worden (siehe auch Die Kapelle auf der Insel). Dass König Gustav Adolf bei dieser Gelegenheit bei seinem Heer gewesen wäre, ist auch nicht bekannt und kaum wahrscheinlich.

Nehmen wir trotzdem 1646 als Agnes’ Geburtsjahr an, so wäre sie 1683, als nämlich die Türken zum zweiten Mal Wien belagerten, 37 Jahre alt gewesen. War damals eine Frau in diesem Alter noch nicht unter der Haube, so hatte sie ihre Chance dazu mit hoher Wahrscheinlichkeit verpasst. Dass sie mit 37 immer noch verlobt gewesen wäre, wirkt seltsam im gesellschaftlichen Kontext des siebzehnten Jahrhunderts.

Doch Legenden sind Legenden. Und schließlich steht auf der Tafel beim Agnesbründl auch nichts von einem schwedischen König: Welchen Landes König der Verirrte war, bleibt immerhin offen. Es kann jeder beliebige gewesen sein von all den am Nordhang des Hermannskogels umherirrenden Königen.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 3

Latest Images

Trending Articles





Latest Images